Blog | 09.09.2022
Wiener Melange – Nicht nur Buchteln und Powidl
Autorin: Helena Kramářová
In Kürze wird eine neue Dokumentation über die tschechische, bzw. slowakische Volksgruppe in Österreich ausgestrahlt, diesmal im TV Sender ORF 2 unter dem Titel „Wiener Melange – Nicht nur Buchteln und Powidl“. Die Dreharbeiten mit dem Verein Marjánka fanden während des Jahreskonzerts statt. Es war keine spezielle Vorbereitung nötig und die ganze Kooperation war sehr erfreulich und angenehm. Es wurde viel Filmmaterial aufgenommen, aber was zum Schluss im Film zu sehen ist, bleibt noch eine Weile ein Geheimnis. Es wurde nämlich nicht nur bei Marjánka gedreht, sondern auch in verschiedenen Vereinen und Institutionen. Kurz vor der Erstausstrahlung haben wir Maria Seifert zum Interview eingeladen.
Frau Seifert, waren die Dreharbeiten Ihre erste Begegnung mit der tschechischen bzw. slowakischen Volksgruppen in Österreich?
Ich hatte durchaus schon vor den Dreharbeiten Begegnungen mit der tschechischen und slowakischen Volksgruppe in Österreich: mit Freundinnen und Freunde, die tschechische oder slowakische Vorfahren haben oder selbst ursprünglich aus der ehemaligen Tschechoslowakei oder den inzwischen eigenständigen Ländern stammen, kannte und besuchte ich zeitweise auch das Nachtasyl in Wien, das inzwischen geschlossen wurde. Das war vor allem während meiner Studienzeit und ich hatte dort unheimlich spannende Begegnungen mit meist sehr politischen Menschen. Ich wusste, dass die Volksgruppen sehr vielfältig sind – im Zuge der Recherchen für die Dokumentation war ich aber dann doch überrascht, welche Fülle und auch komplexe Zusammenhänge sich hier noch zusätzlich verbergen.
Können Sie uns verraten, was Sie den Zuschauern durch den Film vermitteln möchten?
Durch den Sendeplatz am Samstagnachmittag war es von vornherein klar, dass der Film kein politischer und historischer Erklärfilm sein soll, sondern ein Versuch, die slowakische und die tschechische Community so genau wie möglich im Heute abzubilden: wie ihre Mitglieder aktuell in Wien leben, wie sie die Stadt prägen. Wo sie sichtbar sind und wo einiges auch im Verborgenen geschieht. Das ist ein sehr großes Feld, gerade auch mit zwei Volksgruppen, die im besten Fall beide gleichwertig abgebildet werden sollen, deren jeweilige Geschichte auch nicht ganz weggelassen werden kann. Wie aber porträtiert man eine Community, eine Volksgruppe? Das geht eigentlich nur über ihre Menschen – und ich hoffe, mir ist es gelungen, einen Film zu schaffen, der den Menschen insgesamt gerecht wird. Auch wenn ich natürlich in den rund 25 Sendeminuten längst nicht alle Aspekte aufgreifen konnte.
Wie ist es zu der Idee gekommen, sich mit dem Thema Tschechen u. Slowaken in Wien beschäftigen? Hängt dies damit zusammen, dass heuer ein Jahr der Tschechen u. Slowaken stattfindet?
Die Idee kam tatsächlich vom ORF Landesstudio Wien. Die Redakteurin Judith Weissenböck weiß, dass ich es liebe, Filmporträts von Menschen zu gestalten – und ist mit der Frage an mich herangetreten, ob mich ein Porträt der tschechischen und slowakischen Community interessieren würde. Ich war sofort Feuer und Flamme, aber gab zu bedenken, dass ich weder Tschechisch noch Slowakisch spreche und ob es nicht sinnvoller wäre, hier jemanden aus der Volksgruppe zu beauftragen. Aber genau das wäre die Idee, „einen Blick von außen zu erlauben“. Also war ich mit im Boot und gemeinsam mit dem Produzenten Kurt Mayer (KURT MAYER FILM e.U.) waren wir uns gleich einig, dass wir das gemeinsam auf die Beine stellen wollen. Das Jahr der Wiener Tschechen und Slowaken 2022 ist ein wunderbarer „Aufhänger“ für die Dokumentation und ich denke, Frau Weissenböck hatte dies im Hinterkopf, hatte aber unabhängig davon das Anliegen, den Volksgruppen eine Dokumentation zu widmen. Der Film ist der erste Teil einer Serie des ORF Wien mit dem Übertitel „Wiener Melange“, die zeigen soll, wie vielfältig diese Stadt ist.
Mit welchen Vereinen/Institutionen waren Sie während der Dreharbeiten im Kontakt? Worauf dürfen sich die Zuschauer freuen?
Ich war am Anfang sehr überrascht, wie sehr beide Volksgruppen in Vereinen organisiert sind, bzw. warum historisch gesehen die Slowakinnen und Slowaken hier mitunter etwas zurückhaltender sind. Und so war es klar, dass ich die Communities auch über die Vereine abbilden möchte. Und hier vorweg: ich bin bei den Recherchen ausschließlich auf Menschen gestoßen, die offen, sympathisch, klug und sehr engagiert waren: es wurde mir so vieles möglich gemacht. Einer der Kontakte war der Komenský-Schulverein mit Ing. Karl Hanzl als Interviewpartner und Hintergrundwissensvermittler. Hier möchte ich auch ganz explizit Margita Jonas danken, die mich mit ihrer unfassbaren Ruhe und Zugewandtheit in vielen Dingen sehr unterstützt hat. Wir drehten in der Schule am Sebastianplatz, im Hotel Post, im Institut der Slawistik der Universität Wien, in der Karlskirche und im Wiener Prater – hier auch bei der Jahresaufführung der Schülerinnen und Schüler der Komenský-Schule auf der Praterbühne. Helena Basler vom Kulturklub versorgte mich mit interessanten Adressen, ebenso die Koordinatorin und Organisatorin des „Jahres der Tschechen und Slowaken in Wien“, Ladislava Baxant-Cejnar. Und wenn ich auch nicht alle Interviewpartnerinnen und Interviewpartner letztlich im Film untergebracht habe, so bekam ich von allen wertvolle Informationen und bin über jede einzelne Begegnung sehr dankbar. Sehr berührend war für mich das Interview mit der Tochter der Widerstandskämpferin Antonia Bruha, Sonja Spreng. Sie und ihre Enkelin Billie Rehwald haben das Buch „Ich war keine Heldin“ über Bruhas Zeit in Gestapo-Gefangenschaft und im KZ Ravensbrück in diesem Frühjahr neu auflegen lassen, damit es nicht in Vergessenheit gerät.
Wir haben aber doch auch im Restaurant „Zur böhmischen Kuchl“ gedreht und die Familien Kolář und Kolarik waren bereit, einen Einblick in ihre spannenden Familiengeschichten zu geben. Die Kirsche auf der Film-Torte war aber auf jeden Fall die Jahresaufführung von Marjánka (und das habe ich durchaus im Drehteam auch immer so kommuniziert). Der Dreh im Festsaal der Schule am Sebastianplatz hat großen Spaß gemacht und ich war froh, dass sich Frau Canova so kooperativ und flexibel gezeigt hat, dass wir die allerschönsten Bilder innerhalb kürzester Zeit im Kasten hatten.
Gab es während der Dreharbeiten einen besonderen Moment für Sie? Oder hat Sie persönlich etwas wirklich überrascht?
Ich habe es schon vorher angedeutet: mich hat vor allem die offenherzige Begegnung, die ich durchgehend mit jedem einzelnen Menschen hatte, tief beeindruckt. Von meinen Freundinnen mit tschechischen oder slowakischen Wurzeln kannte ich dies ja, aber dass dies vielleicht sogar ein allumfassender Charakterzug sein könnte, war überraschend für mich. Außerdem mochte ich es sehr gerne, dass immer unser gesamtes Drehteam so freundlich empfangen wurde. Dadurch waren von der Kamerafrau über den Tonassistent bis zur Produktionsleiterin, alle immer fröhlich und motiviert. Und das bei teilweise sehr langen und vor allem ziemlich vollgepackten und teilweise stressigen Drehtagen.
Die Premiere ist am 24.9.2022 um 16:30 auf ORF 2. Wird es möglich, den Film danach auch online zu sehen und ggf. wo und wann?
Der Film ist danach noch 7 Tage lang in der ORF-TV-Thek zu sehen: https://tvthek.orf.at
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview.
Vielen Dank Ihnen und viel Spaß beim Fernsehen!
Das Team während der Dreharbeiten